13. Und wenn etwas passiert?

von Andrea

Es gibt da diese eine Frage, die mein Vater uns immer stellt, wenn wir einen Urlaub machen, der aus seiner Sicht nicht so ganz “normal” ist. Das heißt, er stellt sie eigentlich vor so ziemlich jedem unserer Urlaube. Sie lautet: “Habt Ihr Euch eigentlich mal überlegt, was Ihr macht, wenn Euch da etwas passiert?”

Wie man sich leicht vorstellen kann, ist das nicht gerade eine ideale Einleitung für einen entspannten Austausch über mögliche Gefahren und die Maßnahmen, die man im Notfall so ergreifen könnte. Aber so ist die Frage wohl auch gar nicht gemeint. Sie erwartet keine andere Antwort außer der Beteuerung, dass natürlich nichts passieren wird. Sie drückt einfach eine aus seiner Sicht sehr nachvollziehbare Entrüstung darüber aus, dass das Kind nicht mal “normalen” Urlaub machen kann, bei dem man sich als Elternteil keine Sorgen machen muss.

Aber die klare Antwort von uns ist: “Ja, haben wir.” Und das immer und immer wieder. Weil wir beide Schisser sind. Und Kopfmenschen.

Wir überlegen und diskutieren, welche Teile der Ausrüstung wie stabil sein müssen: Eine dreilagige Regenjacke plus Hose? Ja, beim Zelten wollen wir unbedingt trocken bleiben! Ein Sturmkocher, auch wenn er schwerer ist? Ja! Ein ultraleicht Zelt? In Lappland? Kommt nicht in Frage, bitte ein besonders robustes Zelt!

Oder was zur Sicherheit noch so unbedingt mit muss und damit den Rucksack belastet: Wie viel Verbandsmaterial, Pflaster, Desinfektionsmittel, Schmerztabletten, …? Etwa auch noch ein Biwaksack zusätzlich zum Zelt? Puh, so ein Ding braucht Platz und ist echt kein Leichtgewicht – also im Sommer muss das nicht unbedingt sein. Und so weiter …

Und das diskutieren wir dann gerne auch zig mal … sicher ist sicher.

Und die Frage, ob wir nun für die vier Monate auf dem E1 ein Gerät mitnehmen wollen, mit dessen Hilfe wir irgendwie über Satellit Kontakt zum Rest der Welt aufnehmen können, haben wir ZIG mal diskutiert. Von rechts nach links und wieder zurück. Die Antwort fiel je nach Tagesform unterschiedlich aus. Ein paar Tage später dann wieder von vorn.

Wir sind ja mittlerweile beide der Meinung, dass man mit einer anständigen Ausrüstung, die bei jedem Wetter die Grundbedürfnisse sichert (trocken, warm und satt), im skandinavischen Fjäll im Sommer weniger gefährlich lebt als im Straßenverkehr einer beliebigen Großstadt. Im Winter mag das anders aussehen, aber auch nur, weil es dann eben – zumindest mit einer vertretbaren Menge an Gepäck – deutlich schwieriger ist, die Grundbedürfnisse zu sichern.

Natürlich braucht man sich “nur” einen Fuß zu brechen und kommt dann nicht mehr vom Fleck. Unsere (vielleicht naive) Vorstellung ist, dass man dann den “Verunfallten” mit ausreichend Wasser und Essen im Zelt parkt und selber Hilfe holen geht. Im Sommer geht das auch ohne Biwaksack, zusätzlichen Kocher und Ähnliches. Auch wenn es drei Tage dauern sollte. Bestimmt keine schöne Erfahrung, für beide Seiten nicht. Vor allem nicht mit dem Druck im Hinterkopf, dass man möglichst schnell Hilfe holen will und es aber tunlichst schaffen sollte, dabei bitte selber heil zu bleiben, weil das sonst mit der Hilfe nix wird. Wie gesagt, sicher nicht schön, aber das haben wir schon mehrfach in Gedanken durchgespielt und sind überzeugt, dass wir das schaffen, wenn es sein muss.

Also kein Gerät für Satellitenkommunikation? Wiegt schließlich einiges, so ein Ding. Braucht Strom. Ist nicht billig.

Und dann war da letztes Jahr die Geschichte von einer guten Freundin. Sie bekam aus heiterem Himmel starke Schmerzen und hohes Fieber und musste dann wegen eines Abszesses von jetzt auf gleich unters Messer. Sehr unangenehm, aber in unserer Zivilisation immerhin nicht lebensbedrohlich. Aber jemanden mit starken  Schmerzen unklarer Ursache und stetig steigendem Fieber allein im Zelt zurücklassen? Und beim Holen von Hilfe den Teufel im Nacken haben, weil man nicht weiß, ob einem gerade die Zeit davonläuft? Da waren wir uns schnell einig, so etwas wollten wir nicht erleben, wenn sich das irgendwie vermeiden ließe. Und wenn das Risiko,  dass so etwas passiert, auch noch so gering sein mag. Diese Geschichte gab den Ausschlag für unsere Entscheidung.

Und damit begann dann mal wieder eine längere Phase der Recherche. (Was wären wir nur ohne das Internet?) Seitdem wissen wir, dass es da oben einen ganzen Zoo an Satelliten von ganz verschiedenen Anbietern gibt und dass gar nicht alle davon für alle Teile der Welt geeignet sind. Es decken nämlich nicht alle Anbieter (ziviler) Satellitenkommunikation den hohen Norden (bzw. den tiefen Süden) ab, weil sich bei einigen Anbietern die Satelliten vor allem am Äquator tummeln.

Und dann hat man noch die Wahl zwischen einem richtigen Satellitentelefon am einen Ende des Spektrums, einem reinen Notfallsender, mit dem man außer dem Absetzen eines Notrufsignals gar nichts tun kann, am anderen Ende des Spektrums und einem Gerät, mit dem man zusätzlich zum Absetzen eines Notrufsignals auch Textnachrichten verschicken kann, in der Mitte des Spektrums.

So ein Satellitentelefon ist mit 250 Gramm ja mittlerweile erstaunlich leicht und mit über 1000 Euro immer noch echt teuer. Am meisten abgeschreckt haben uns bei dem Ding aber die Telefongebühren. Ich sehe ja ein, dass man bei einem Geschäftsmodell, dass damit beginnt, dass man zu horrenden Kosten einen Haufen Satelliten ins All jagt, hinterher irgendwie die Kohle wieder rein kriegen muss. Aber eine pre-paid “Telefonkarte” für mehrere hundert Euro, die schlicht verfällt, wenn man sie innerhalb weniger Monate nicht genutzt hat, war uns dann doch zu frech.

Am anderen Ende des Spektrums hat uns der Gedanke, nur ein Notrufsignal absetzen zu können, ohne zusätzlich eine Information übermitteln zu können, ob jemand einen gebrochenen Fuß oder starke Bauchschmerzen und hohes Fieber hat, nicht überzeugt.

Und so landeten wir – wie sollte es auch anders sein – in der Mitte. Zumal der so genannte Satelliten-Tracker in der Mitte des Spektrums auch gleichzeitig noch ein GPS Gerät ist und wir damit unser GPS Gerät zu Hause lassen können. Damit haben wir dann nicht mal mehr Gewicht auf dem Buckel, weil wir nur ein Gerät durch ein anderes ersetzen.

Als wir dann Anfang des Jahres erfuhren, dass das Unternehmen, dass diese so genannten Satelliten-Tracker für das von uns benötigte Satellitennetz anbietet, von Garmin übernommen worden war und Garmin noch im ersten Quartal ein neues Gerät auf den Markt bringen wollte, waren wir endgültig überzeugt. Nicht dass Geräte von Garmin irgendwie intuitiv zu bedienen wären …. es ist eher das Gegenteil der Fall. Aber da unser GPS Gerät auch von Garmin ist, haben wir uns daran schon gewöhnt, was damit ein Vorteil gegenüber einem uns bis dato völlig unbekannten Anbieter ist.

Dann hieß es noch mal eine Runde Daumen drücken, als der Ausrüster für Expeditionstechnik in München auf seiner Internetseite schrieb, dass das neue Gerät nun doch erst im zweiten Quartal kommen würde. Irgendwann im März prüfte ich noch mal die Internetseite in der Hoffnung auf neue Infos und da hieß es dann, das Gerät sei auf Lager. Keine Minute später hatte ich einen freundlichen Herren an der Strippe, der meinte, er hätte die Lieferung von Garmin erst vor drei Stunden erhalten und ausgepackt. Wenige Tage später hielten wir dann stolz unseren “inReach Explorer+” in den Händen.

Nun folgte noch die Registrierung des Gerätes nebst Abschluss eines Vertrages, dessen Kosten pro Monat für den von uns gewählten Tarif aber “nur” bei 30 Euro liegen.

Das Herumprobieren mit dem neuen Gerät brauchte natürlich trotz gewohnter nicht intuitiver Bedienung noch etwas Nerven. Das Verschicken von SMS klappt noch nicht immer (die netten Menschen im Product Support bei Garmin suchen noch den Fehler), aber die Versendung von E-Mails funktioniert bisher reibungslos.

Sogar die GPS-Koordinaten diverser Wegpunkte auf dem E1 haben wir schon ins Gerät geladen und das in weniger als einer Stunde. Man gewöhnt sich eben doch auch an die Bedienung eines Garmin Gerätes. Die ersten Male haben wir bei unserem GPS Gerät für solche Übungen noch Tage gebraucht.

So, das beruhigt jetzt also unsere Nerven. Und dürfte unterwegs auch einiges erleichtern, wenn wir mal eine Nachricht an eine unserer Päckchen-Stationen schicken können, dass wir ein paar Tage später (oder unwahrscheinlicher Weise auch früher) als geplant und angekündigt dort ankommen.

Aber machen wir uns nix vor. Auch in Skandinavien fliegt die Bergrettung vermutlich nur auf Sicht. Und wenn die Wolken etwa auf Höhe der Nase hängen und es vielleicht auch noch hübsch stürmisch ist, startet kein Hubschrauber – auch in Norwegen nicht.

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