64. von Champex nach Chamonix

Tag 15, von Champex nach Trient bzw. Argentière

von Andrea

Der Wecker in unserem kleinen Chalet klingelte früh. Wir wollten den Bus nach Champex um 7:52 Uhr erwischen. Ich wollte die zusätzlichen 350 Höhenmeter vom Chalet nach Champex Lac sicher nicht unter die Sohlen nehmen und Ole hatte sie ja gestern am Ruhetag schon gemeistert. Wir verputzten also das restliche Müsli, fanden in dem Chalet (hoffentlich) alle unsere Sachen wieder, was etwas anspruchsvoller war als in einem Hotelzimmer, und standen überpünktlich an der Bushaltestelle.

Um 8:10 Uhr starteten wir dann in Champex Lac Richtung Trient. Und schon auf den ersten Metern bekamen wir einen Eindruck davon, was es bedeutete, auf der sehr bekannten und offensichtlich auch sehr beliebten Wanderroute Tour du Mont Blanc unterwegs zu sein. Um uns herum wimmelte es von Menschen mit großen Rucksäcken. Wo kamen die plötzlich alle her? 

Für uns ging es erstmal sehr gemütlich und auf einfachen Wegen – zum Teil sogar noch auf der Straße – von Champex Lac bergab nach Champex d’en Haute und weiter runter nach Champex d’en Bas. Kurz danach ging es dann knackige knapp 950 Höhenmeter rauf. Also, das hat sich so richtig knackig angefühlt. Mag aber auch am Tempo gelegen haben. 

Wir hatten eine Gruppe von Frauen hinter uns, die mir deutlich zu laut waren. Ich bin quasi von der ungewollten „Radio“-Beschallung bergauf geflüchtet. Zwei von den Frauen waren besonders nervig, weil sie zwischendurch immer mal meinten, sie müssten zu Ole und mir aufschließen und mir fast in die Hacken latschen. Überholen wollten sie aber auch nicht. Dann blieben sie plötzlich stehen, warteten auf die anderen aus ihrer Gruppe und klackerten mit ihren Wanderstöcken gleich darauf wieder von hinten an uns heran und hingen mir im Nacken. Stöhn. Da half nur die Flucht nach vor. Wir hängten sie einfach ab. Der Preis waren brennende Beine und in Strömen fließender Schweiß. Ole versorgte mich großartig mit Himbeer-Doping, sonst hätte ich in dem steilen Anstieg mit dem Tempo wohl irgendwann schlapp gemacht..

Als der weitaus größte und steilste Teil des Anstiegs hinter uns lag, hatten wir mindestens 30 Wanderer überholt. Wir staunten darüber, dass wir in dem Aufstieg mehr Wanderer gesehen hatten, als in den gesamten zwei Wochen davor (mal abgesehen von den Wanderern in den Hütten). Wir waren verblüfft, amüsiert und entsetzt (wegen des ständigen Gebrabbels um uns herum) gleichzeitig. 

Als wir dann endlich etwas weniger steiles Gelände erreicht hatten, plumpsten wir auf einen großen flachen Stein, fielen über unser Picknick her und versuchten, irgendwie wieder zu trocknen und zu Kräften zu kommen. In der Zeit, die wir gemütlich auf diesem Stein hockten, zogen in beiden Richtungen insgesamt mindestens 50 Wanderer an uns vorbei. Völlig gaga.

Aber nicht nur die Massen von Menschen waren hier die Attraktion. Wir hatten von unserem Picknick-Stein einen tollen Blick auf wundervolle Berge, ein letztes Mal auf das Rhone-Tal und in der Ferne sogar auf den Genfer See.

Nach dem Essen von dem Stein wieder hoch zu kommen, war gar nicht so einfach. Die ersten Schritte klappte das mit dem Lächeln und nicht Humpeln noch nicht so wirklich. Ich war ja selbst Schuld, ich hätte ja vorher nicht so flitzen müssen. Da musste ich jetzt durch.

Hinter der nächsten Ecke lag eine Alm (Bovine), an deren Tischen sich etwa so viele Wanderer drängelten wie an einem Münchner Hausberg an einem Sonntag bei schönstem Wetter. Wir füllten nur eine Wasserflasche auf und flüchteten gleich wieder. Allerdings ging der erste Teil der Flucht nochmal bergauf und das fanden meine Beinchen gar nicht witzig. Zum Glück ging es aber nicht mehr weit rauf, es war nur noch ein kurzer Kampf.

Hinter dem höchsten Punkt ging es nicht nur runter, es gab auch öfter mal Schatten. Eine Wohltat. Ja, der Sommer hatte uns wieder. Ab spätestens 11 Uhr am Vormittag waren wir eigentlich permanent auf der Suche nach Schatten. An der Alm hatte ein Thermometer gehangen, welches 34 Grad angezeigt hatte (in der Sonne, aber was anderes gab es da auch nicht).

Der Abstieg verlief locker flockig und so kam schon bald die Frage auf, ob wir nicht den Trasfer-Service informieren sollten, dass wir vermutlich früher als 16 Uhr in Trient sein würden. Ole schickte eine SMS mit Frage, ob wir eventuell schon um 15:00 Uhr abgeholt werden könnten. Als es nach einer halben Stunde noch keine Antwort gab, rief er an, erreichte aber niemanden. Als eine Weile später der Rückruf bei Ole einging, war klar, dass wir auch früher als 15 Uhr in Trient sein würden. Der Fahrer, der uns eigentlich hätte abholen sollen, meinte, er würde schauen, was sich machen lässt.

Etwas vor 13:30 Uhr erreichten wir den Straßenpass Col de la Forclaz. Als wir dort gerade etwas Kühlmittel nachfüllten, rief ein Fahrer an und fragte, wann wir denn in Trient sein würden. Da wir gerade ein Schild vor der Nase hatten, dass bis Trient eine Gehzeit von 30 Minuten angab, meinten wir, wir könnten in einer halben Stunde in Trient sein. Ok, meinte der Fahrer, dann würde er jetzt in Chamonix losfahren, er würde 40 Minuten brauchen. Schnell schulterten wir die Rucksäcke und düsten los. Bei den Gehzeiten auf den Schildern konnte man nie so ganz sicher sein, ob man die Strecke in der Zeit schaffte oder nicht. Ole lotste uns souverän auf dem kürzesten Weg nach Trient, wo wir tatsächlich schon um kurz vor 14 Uhr eintrudelten. Keine zehn Minuten später saßen wir im Taxi nach Argentière.

Und gegen 14:30 Uhr checkten wir in Argentière im von Ole ausfindig gemachten Luxus ein. Ein Hotel in einem tollen großen alten Holzhaus. Ein mega freundlicher Empfang, obwohl wir bestimmt weder gut aussahen noch gut rochen. Und dann unsere dümmliche Grinse angesichts des Blicks auf den Mont Blanc von unserem Zimmer aus. Die Grinse wich einem super zufriedenen Seufzen, als wir uns auf der Terrasse des Hotels mit Blick auf den Mont Blanc niederließen und eine Kleinigkeit zu essen bestellten. Manchmal konnten solche Touren ja echt hart sein.

Später genossen wir noch den Wellness-Bereich, kamen wunderbar zur Ruhe und haben abends in einem Restaurant in der Nähe sehr lecker gegessen. Für mich gab es die ersten Schnecken meines Lebens und für Ole Zwiebelsuppe (wir waren nämlich jetzt in Frankreich) und als Hauptgang für uns beide Raclette. Und das alles draußen auf einer Terasse mit was? Genau. Blick auf den Mont Blanc. 

Dieser Berg mit seinen gewaltigen weißen Flanken und der weiß strahlenden Kuppel am Gipfel war schon noch mal etwas anderes als die vielen wirklich tollen gletscherbedeckten Berge, die wir in den letzten Tagen so gesehen hatten. Ein weiß strahlender Kraftort, der immer wieder unsere Blicke anzog. Von diesem Berg gingen für mich eine Faszination und eine Ruhe aus, wie ich sie selten bei einem Berg empfunden habe. Das war.mir schon bei meiner ersten „Begegnung“ im Jahr 2018 so gegangen. 

Tag 16, von Trient nach Argentière 

von Ole

Da hatte uns der Taxifahrer echt einen Floh ins Ohr gesetzt. Wir könnten doch auch zum Col des Montets gehen und von dort nach Argentière absteigen, der Abstieg von dort würde nur anderthalb Stunden dauern. Hmmm. Wir hatten die Tour ja vom Col de Balme direkt hinab nach Argentière geplant. Aber damit würden wir auf der Seite der großen Berge laufen und nicht mit dem Logenblick auf die großen Berge von der anderen Talseite aus. Und am Ende wären es „nur“ ca. 200 Höhenmeter mehr in Auf- und Abstieg, wenn wir zum Col des Montets gingen. Ach ja, etwas länger wäre der Ruhetag (alter Familienwitz, 1.000 Höhenmeter und nur ein Rucksack) dadurch auch. 

Wir waren jedenfalls auf alles vorbereitet und um 07:30 Uhr pünktlich beim Frühstück (Wellnesshotel). Ab 08:00 Uhr hatte ich dann ein wichtiges dienstliches Telefonat. Um 09:15 holte uns Claudiu, der gleiche Fahrer wie am Vortag, wieder ab. Ich hing noch in Telefonat Nr. 2, aber auch das klappte.

In Trient fuhr uns Cluaudiu noch bis zum Ende der Straße, das sparte ca. 10 Minuten. Locker flockig ging es dafür direkt aufwärts. Andrea hatte ohne Rucksack noch mehr Spaß als sonst.

Nach anfänglichem Ausblick auf den Trient Gletscher waren wir froh, in den Serpentinen im Wald vor der Sonne geschützt zu sein. 500 Höhenmeter Aufstieg in der ersten Stunde waren das Ergebnis. Nach einer Trinkpause im letzten Schatten (Baumgrenze) für einige Stunden erreichten wir nach der zweiten Stunde Aufstieg in einem tollen Hochtal den Col de Balme. Das Training der letzten zwei Wochen zahlte sich aus. 

Mit dem ersten „richtigen“ Blick auf den Mont Blanc und auf die Aiguille Vert davor und auf noch ziemlich viele andere Nadeln sahen wir uns in der Pause so richtig satt. (Da die Terrasse der Hütte in die andere Richtung lag, war es vermutlich noch eine schweizer Hütte, denn hier am Pass verlief die Grenze zwischen Schweiz und Frankreich und wir saßen bereits in Frankreich.)

Wir waren nur erneut überrascht von der Vielzahl der anderen Wanderer. Die Alpen sind auch am Grand Combin schön! Wieder einmal war es das Phänomen eines Hotspots. Die Tour du Mont Blanc reizte viele Menschen, für uns zu viele. Wir waren froh über die Info von Oliver, dass das nur ein paar Kilometer weiter wieder deutlich weniger werden würde.  

An einigen Kühen vorbei stiegen wir zum Col des Posettes ab, teilweise auf einer bequemen Schotterstraße. Wir hatten uns natürlich für den Umweg über den Col des Montets mit Logenblick entschieden, fluffte ja irgendwie heute. Nur die Temperatur war wieder mal auch in 2.000 Metern Höhe viel zu hoch.

Im Aufstieg zum Gipfel des Posette vergaßen wir die Wärme für eine halbe Stunde komplett. Andrea hatte sich zuvor noch einmal mehr Fels unter den Füßen gewünscht und den bekam sie jetzt postwendend und frei Haus. Wir tanzten fast über die Felsen nach oben, merkten die in den beiden Wochen erworbene Trittsicherheit und blieben nur stehen, wenn der Ausblick auf das Mont Blanc Massiv mal wieder zu schön war.

Die Pause am höchsten Punkt fiel kurz aus, zu sehr grillte uns die Sonne. Jetzt merkten wir die Wärme wieder. Der Abstieg zum Col des Montets zog sich dann echt hin. 1:50 war als Gehzeit vom Gipfel ausgeschildert, ziemlich lang für 770 Höhenmeter Abstieg. Doch plötzlich mussten wir echt aufpassen, wohin wir die Füße setzten, der Weg war super steinig.

Nach ca. einer Stunde hatten wir endlich die Baumgrenze erreicht. Dadurch wurde der Weg zwar auch noch wurzelig, es gab aber auch wieder Schatten. Trotzdem zog sich der Weg gefühlt ewig hin. Kurz vor 15:00 Uhr machten wir eine letzte Pause kurz hinter dem Col des Montets. Das wir bei je zwei Litern Wasser pro Nase so wenig Wasser wieder wegbringen mussten, zeigte uns, dass wir für die Wärme zu wenig tranken.

Der Abstieg nach Argentière fluffte dann wieder. Mehr Schatten, weniger Steine und Wurzeln. Anderthalb Stunden brauchten wir dafür nicht. Wir kauften auf dem Weg ins Hotel noch kurz ein und erreichten unser schönes Ziel um 16:15 Uhr. Eine Massage konnten wir leider nicht spontan buchen. Wir genossen stattdessen den Wellnessbereich und dehnten und machten ein bisschen dehnendes Yoga (steht zwar „restorative“ drauf, ist trotzdem anstrengend, tat den Muskeln gut).

Das Abendessen durften wir im selben Restaurant zu uns nehmen wie am Vortag. Andrea stockte ihren Eiweißbedarf mit Schnecken auf, ich freute mich über geschmolzenen Reblochon-Käse. Danach gab es geteiltes Steak und Tartiflette, einen sehr kalorienreichen Kartoffelauflauf. Den geteilten Schokoladenkuchen zum Nachtisch stockte die Bedienung auf zwei Küchlein auf, danach rollten wir zurück ins Hotel.

Hoffentlich werden die Reserven nicht zu weit weg gebunkert, die brauchen wir an nächsten Tag ganz sicher alle wieder auf dem Weg nach Chamonnix. Irgendwie hatten wir da wieder einen anstrengenden Abschnitt geplant auf dem Mont Blanc Logenweg.

Tag 17, vom Col des Montets nach Chamonix 

von Ole

Wir waren pünktlich um 07:30 Uhr beim Frühstück. Gefühlt waren wir fast die letzten. Um uns herum wimmelte es von Wanderern, die sich neben dem Frühstück auch noch lautstark austauschten, die meisten auf englisch. Irgendjemand muss da mal über diese komische Mont Blanc Umrundung viel Positives geschrieben haben. 

Das Taxi, das um 08:30 Uhr vor der Tür stand, war zum Glück für uns. Die anderen beiden Wanderer, die wohl nach Trient wollten, mussten noch etwas warten. Der „Trick“ mit der Anfahrt des Taxis aus Chamonix zog wieder, die Festpreise zu den Startpunkten der Wanderwege waren fast auf Schweizer Niveau. Aber wir waren froh, den Tag nicht mit weiteren 200 Höhenmetern Aufstieg zu beginnen, es sollten auch so 1.300 werden, also zahlten wir das ziemlich teure Taxi für die Fahrt zum Col des Montets gern. … Wie sich noch herausstellen sollte, würden es ünrigens auch ziemlich anspruchsvolle 1.300 Höhenmeter werden. 

Der Tag stand unter dem Motto, von Planpraz aus die letzte Seilbahn hinunter nach Chamonix zu erwischen, um uns die etwa 1.000 Höhenmeter Abstieg zu sparen. Das stresste Andrea ein bisschen mehr als mich. Die geplante Strecke war mit 6:45 Stunden angezeigt. Von 08:45 Uhr Aufbruch am Col des Montets blieb somit genau eine Stunde Puffer, laut Internet fuhr die letzte Seilbahn um 16:30 Uhr. Ich war vermutlich nur deshalb weniger gestresst, weil ich mich verrechnet hatte und von zwei Stunden Puffer ausgegangen war …

So ein langes Rennen gewinnen wir nie auf den ersten Metern, insbesondere dann nicht, wenn diese steil bergauf gehen. Schritt für Schritt, nach kurzer Zeit schon in der Sonne, cruisten wir uns langsam und stetig die Serpentinen vom Col des Montets aus empor. Zwischendurch gab es ein paar Blaubeeren für Andrea, die das Gewichts ihres Rucksacks angesichts der Steilheit des Aufstiegs deutlich merkte.

Nach ca. eineinhalb Stunden machten wir eine erste Pause auf einem flachen Stein ein paar Meter vom Weg ab. Kurz Füße lüften, viel trinken und die vielen Wanderer beobachten. Noch ein Stück weiter, dann hatten wir den ersten steilsten Abschnitt des Aufstiegs geschafft und der Mont Blanc tauchte wieder erhaben vor uns auf.

Doch es war nicht etwa so, dass dieser Weg nur wegen des Ausblicks auf das Mont Blanc Massiv ein Logenplatz war. Die Aiguilles Rouges auf unserer Talseite waren auch ohne den Blick auf den Mont Blanc spektakulär. Schroffe Felsen über uns, alpine Matten um uns herum. Dann tauchten auch noch drei kleine Bergseen auf.

Die letzten 150 Höhenmeter hoch zum Lac Blanc, der Touristenattraktion, waren noch mal sehr steil. Uns hielten dabei weder eine Leiter, noch teilweise hohe Trittstufen aus Holz ab, wir erreichten den See. Zum Glück konnten wir ihn trotz der vielen Menschen auch sehen. Wir setzten uns abseits der vollen Hütte an den vollen See.

Beim Picknick hüllte Andrea ihren Kopf zum Schutz vor der Sonne in ihr Fleece ein. Die Sonne war wirklich gnadenlos. Wir aßen ein bisschen, beobachten das Tohowabohu um uns herum und identifizierten die besten Selfie-Hotspots, von denen es natürlich später auch ein Bild mit im See gespiegeltem Mont Blanc und mit Schatz gab.

Ich besorgte dann noch anderthalb Liter Wasser an der Hütte, bevor wir nach ca. 30 Minuten um 12:30 Uhr wieder aufbrachen. Andrea hatte gehofft, schon eine halbe Stunde früher an der Hütte anzukommen. Ich fand die 3:15 Stunden für 900 Höhenmeter und 5,5 Kilometer ganz ok. Ich war nur etwas von den noch folgenden ca. 9 Kilometern geschockt mit weiteren 400 Höhenmetern Aufstieg. Vier Stunden hatten wir noch bis zur letzten Seilbahn, sollte sich eigentlich ausgehen. Ich sagte aber lieber mal nichts. Keine Ahnung, wie das Gelände so weitergehen würde. 

Es folgte das bisher anspruchsvollste Stück Weg der gesamten diesjährigen Wanderung. Wir waren uns schon halbwegs einig, dass T3 dafür ungefähr die richtige Bewertung war (T3 plus vielleicht?). Wenn das T3 war, wären aber die meisten anderen Wege, die wir in diesem Sommer so gegangen waren, eher so T2 (mit vielleicht einem plus) gewesen. Es waren aber bisher sehr viele Etappen als T3 bewertet gewesen. Das passte irgendwie nicht zusammen.

Nachdem die ersten zwei Kilometer nach der Pause ganz ordentlich geflutscht waren, zogen sich die folgenden 500 Meter fast genauso lange. Es war Blockgelände, dass da auf uns wartete. Andrea tobte sich mal wieder in ihrem Lieblingsgelände aus.

Innerhalb von 65 Minuten sollte man am Col d’Index sein, von dort würde notfalls ein Sessellift nach La Flégère hinunter gehen. Wir brauchten bis dahin allerdings eher 80 Minuten. Ups. Zum Glück stand nach Planpraz keine Zeit dran, dann hätte man ja vielleicht hochrechnen und komplett nervös werden können.

Trotz des „leichten“ Zeitdrucks nahm ich immer noch die beeindruckende Landschaft auf beiden Seiten des Tales wahr. Es wurden an dem Tag auch so ca. 180 Fotos, vermutlich sind diverse davon in diesem Beitrag verewigt. Auf der anderen Seite des Tales die Gletscherwelt des Mont Blanc Massivs, auf unserer Seite die hochalpine Landschaft der Auguilles Rouges. Wir bewegten uns die meiste Zeit über 2.000 Metern Höhe. 

Hinter dem Col d’Index begann für uns ein steiler Abstieg von ca. 200 Höhenmetern in ein Tal unterhalb der Auguille Glière. Uns schwante langsam Böses. Wir mussten ja noch gute 250 Höhenmeter wieder aufsteigen, wir sahen auch den Weg langsam in Richtung des Talschlusses hochziehen, aber wo sollte das denn da über diese Spitzen bitte rüber gehen?

Andrea gab jetzt richtig Gas. Hundert Höhenmeter unter dem Col de la Glière und laut unserer App noch 4 Kilometer vor Planpraz hatten wir noch zwei Stunden Zeit. Aufatmen, das klang doch ganz verheißungsvoll. Aber wie war das mit der „Brautprinzessin“? Das war, bevor der Hang noch steiler wurde, die Klettersteigstelle vor dem Pass kam und dann ein ziemlich langes Blockfeld …

Aber der Reihe nach. Das steile Stück Hang verlangsamte uns nur ein wenig, die letzte seilgesicherte Querung schon deutlich mehr. Da war mal nichts mit ausrutschen. Wir waren beide froh, dass hier sogar Eisenstangen statt Drahtseilen an den Felsen befestigt waren. Und wir nutzten sie auch. 

Am Pass gab es in wildem Fels eine letzte Trinkpause. Wanderer gab es hier übrigens deutlich weniger als zuvor. Ich entdeckte ca. 50 Meter oberhalb von uns eine Bewegung. Erst dachte ich, es sei eine Gams, aber es war ein Steinbock. Wie sich herausstellte eine Mutter mit ihrem Kitz. Begeistert fotografierte ich. Während wir uns mühsam die ersten Meter durch das Blockgelände hinter dem Pass mühten, stand die Steinbockmutter mit Kitz plötzlich nur 10 Meter über uns. Mit einer unglaublichen Leichtigkeit bewegten Mutter und Kitz sich in den Felsplatten, dabei waren ihre Schritte auf dem Fels kaum zu hören. Ein magischer Moment.

Ich hatte auf einer der Hütten mal ein Foto eines Steinbocks in so kurzem Abstand zu Menschen gesehen. Das hatte aber eher so ausgesehen, als sei der Steinbock überrascht worden. Hier gingen die Tiere völlig entspannt direkt an uns vorbei. Ich glaube, dafür hätte ich jede Seilbahn verpasst. Als wir langsam hinter den Tieren her gingen, gesellte sich noch ein dritter Steinbock dazu. Einfach genial. Auch dieser maximal 15 Meter von uns entfernt. Völlig begeistert versuchten wir, uns im weiteren Verlauf des Blockfeldes ein wenig dieser Eleganz der Bewegung zu nähern, es gelang nur ansatzweise. 

Mangels Eleganz fehlte uns auch wieder Geschwindigkeit. In diesem schwierigen Gelände galt es aber erst einmal, gut und heil durchzukommen. Zwischendurch genossen wir noch den einen oder anderen Ausblick nach Westen, unter uns lag mit dem Lac Cornu ein weiterer, sogar etwas größerer Bergsee und zum Horizont hin wurden die Berge flacher. Sah zumindest so aus.

Mühsam erreichten wir den Col de Lac Cornu, hinter dem der Abstieg Richtung Seilbahn so richtig begann. In der Ferne sahen wir schon die Seilbahnstation. Drei Kilometer waren es für die letzten nur noch 60 Minuten. Normalerweise ja kein Problem, aber wer weiß, was das Gelände noch so mit sich bringen würde. Wir gingen fast wie im Tunnel. Keine Trinkpause mehr, vorwärts, nur vorwärts. Ging die meiste Zeit auch ganz gut, wir kamen mal wieder zügiger voran. Dann verlangsamten einige kleinere Blockfelder wieder unseren Fortschritt.

Immer wenn wir dachten, jetzt dürfte es sich ausgehen, kam wieder etwas dazwischen. An einer Stelle brauchten wir sogar noch einmal die Hände am Fels, um einen sehe steilen Abschnitt heil runter zu kommen. Endlich erreichten wir um 16:15 Uhr einen Schotterweg. Die letzten Meter noch einmal hoch, wo zum Geier war hier die Seilbahnstation? Ich fand das Schild „Gare Telecabine, 5 Minuten“ um 16:20 Uhr. Wir eilten an den plötzlich wieder vielen anderen Menschen um uns herum die letzten ca. 50 Höhenmeter hinunter und standen um 16:25 Uhr am Ticketautomaten. Da hatte Andrea schon gesehen, dass die Seilbahn bis 17:00 Uhr fuhr. So gab es mit Tickets in der Hand um 16:28 Uhr noch ein etwas fertiges Foto des Mont Blanc. Uff. Dann sagte ich zu Andrea Richtung Gondel zeigend: „Runter, bevor ich hier umfalle“.

Jetzt endlich durchatmend gondelten wir nach unten, schafften mit heißen Füßen auch die letzten 650 Meter (= 55 Meter Abstieg) zu unserem Hotel. Eine kurze Dusche erfrischte ein wenig, das Dampfbad und viel Trinken halfen ebenfalls.

Das Abendessen beim Japaner in der wuseligen Einkaufsstraße von Chamonix ließ uns zur Ruhe kommen und wir ließen den genialen, wenn auch etwas stressigen Tag noch einmal Revue passieren. Am Ende trugen uns unsere Füße sogar noch auf einen kleinen Bummel durch Chamonix. Nur ein Eis bekamen wir nicht mehr, Schlange zu lang, Laden geschlossen, auf dem Rückweg Schlange immer noch zu lang und andere Läden dann ebenfalls geschlossen.

Tag 18, Ruhetag in Chamonix

von Andrea

Mein Körper hat in der Nacht wohl gleich mehrere Reparatur-Trupps in meine Beine und Füße geschickt. Alter, da war los. Das schmerzhafte Pochen hat mich teilweise sogar vom Schlafen abgehalten. Am nächsten Morgen war in meinen Füßen und Unterschenkeln dann zum Glück Ruhe, in meinen Oberschenkeln war immer noch Alarm, wenn auch weniger als während der Nacht. Muskelkater hatte ich lustiger Weise nicht, nur Reparatur-Alarm. Aber der Zustand meiner Beine hat mich nicht davon abgehalten, am nächsten Morgen aufzuspringen, den Vorhang aufzuziehen und zu schauen, ob der Mont Blanc noch da war. Er war noch da. Alles gut.

Noch etwas im Bett lümmelnd suchten wir Fotos für die Etappe von Verbier nach Champex aus. Puh, also unsere erste Auswahl bestand aus 80 Bildern. Vielleicht ein bisschen viel? Aber die Gletscher waren doch so schön und die Berge so beeindruckend und überhaupt. Und ein Blog-Beitrag mit viel Text braucht doch auch viele Fotos, oder? Schwierig. Erstmal Stärkung, also erstmal Frühstück. 

Nach dem Frühstück eine Partie Tisch-Kicker an einem total coolen Teil für zwei Personen. Und die erste Partie Tisch-Kicker seit gefühlten zehn Jahren, die ich mal wieder gewonnen habe, wenn auch nur ganz knapp. Danach schafften wir es mit vereinten Kräften, die Anzahl der Fotos für den Beitrag auf etwas über 40 zu drücken. Und den Blog-Beitrag zu veröffentlichen.

Nach derlei Heldentaten zogen wir los (lächelnd und nicht humpelnd), um einen Cappuccino zu jagen. Wir fanden das Café mit der besten Bewertung in ganz Chamonix. Das Fazit des Cappuccino-Testers war trotzdem durchwachsen. Der beste Cappuccino dieser Tour, aber wirklich gut war anders, meinte er. Harte Zeiten für einen Cappuccino-Liebhaber.

Dann kam eine kleine Shopping-Tour unterbrochen von zwei Salaten zum Mittagessen, als einige Geschäfte über Mittag schlossen. Wobei so richtig shoppen geht ja gar nicht, wenn man einen vollen Rucksack hat und alles schleppen muss. Aber ein Buff in besonders schönen Farben musste trotzdem mitkommen. Wenn auch nicht der Buff in dem tollen Blau mit der Aufschrift Chamonix, den wir in einem (geschlossenen) Sportgeschäft in Champex gesehen und eigentlich gesucht hatten. Nach den Salaten ging noch ein schwarzer Sport-BH in meinen Besitz über, um den Anforderungen der hiesigen Wellness-Bereiche an Badekleidung wenigstens halbwegs passabel nachkommen zu können. Und ein Eis gab es schließlich auch noch. Das müssen wir ja nicht im Rucksack tragen, nur auf den Hüften.

Nach ein wenig Schreiben und Arbeiten im Hotelzimmer durfte ich am Nachmittag eine Massage genießen. Die hat meine Reparatur-Trupps bestimmt ordentlich durcheinandergewirbelt. Hat aber sehr gut getan. Und die anschließende ausgiebige Nutzung des Wellness-Bereichs in unserem Hotel auch.

Zwischendurch löste Ole ganz toll unser nächstes Übernachtungsproblem. Für den kommenden Samstag – es sind immer die Samstage – fanden wir am Ende einer Etappe im Aosta Tal nur noch eine Unterkunft ohne Restaurant und das nächste Restaurant wäre zu weit weg. Ole schrieb eine nette E-Mail – endlich wieder Italienisch! – und fragte nach Zimmer und Essen. Daraufhin erhielten wir das Angebot, dass unsere Gastgeberin uns ins nächste Restaurant fahren würde. Hach war das schön. (Wir hofften noch, dass sie uns auch wieder abholen würde.)

Ole machte nach der Sauna noch eine kurze Yoga-Session mit Blick auf was wohl? Genau, Mont Blanc. Dann aßen wir im Hotel, da es hier Käse-Fondue auch nur für eine Person gab. Meistens war das für mindestens zwei Personen und ich wollte das nicht so gerne essen. Das Käse-Fondue war natürlich super mächtig, Ole konnte danach kugeln. Mein Essen war so mittel. Es passte schon, dass die Bewertung des Restaurants nicht so gut war. Der Blick auf den weißen Berg beim Essen war trotzdem klasse.

Nach dem Essen drehten wir noch eine Abschieds-Runde durch Chamonix. Wir werden wiederkommen.

Bäume im Trockenstress, Mensch auch, erneuter Anstieg in der Sonne nach der Pause auf dem Weg nach Trient
Oberhalb von Trient, halbe Stunde bis zum Taxi, gut, dass es ein Geländer gab
Ankommen und Wohlfühlen in Argentière
Raclette mit Blick auf den Mont Blanc am Abend
Blick beim Frühstück am nächsten Morgen
Aufstieg von Trient zum Col de Balme, oben ist die Hütte schon in Sicht
Pause am Col de Balme, Luft für qualmende Füße
Den Mont Blanc fast erreicht
Mal wieder Fels unter den Füßen, der Aufstieg zum Gipfel des Posettes
Django zahlt heute nicht, Django geht zu Fuß
Abstieg zum Col des Montets, voraus die Aiguille Rouges, die am nächsten Tag auf uns wartete
Beeindruckend Eiswand eines Gletschers
Viel zu klein, für das Panorama braucht es eine große Leinwand
Pause im Aufstieg vom Col des Montets, viele Wanderer um uns herum, hier nicht auf dem Bild
Blick zurück
Erst Leiter…
…dann Holzstufen…
…dann Trubel an der Hütte am Lac Blanc
Nachvollziehbar, aber kann mal jemand kurz eine Wolke vorbeischicken?
Der Selfie-Hotspot
Schon verständlich, was für ein doppeltes Panorama von den Grandes Jorasses bis zum Mont Blanc
Links Mer de Glace und Grandes Jorasses
Djangos Lieblingsberg
Immer noch Djangos Lieblingsberg
Ääähh? Wo soll das denn da rüber gehen? Die Zeit wurde langsam knapp.
Mal wieder ein Blockfeld im Weg
Na gut, das könnte gehen (irgendwie, notfalls)
Alle gefährlichen Stellen sind gesichert
Blick zurück, da sind wir hoch gekommen
Nach dem Pass ist vor dem Blockfeld
Trail Magic
Einfach knuffig
Ich liebe Platten und ich stehe sicher
Fast zum greifen nah
Wunderschön
Komplexes Blockfeld, uns fehlte etwas die Eleganz der Steinböcke
Wirkt fast wie im Himalaya
Was ein Berg
Auch in Chamonix nie weit weg
Auch beim Relaxen zu bewundern

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