18. vom Plöckenpass nach Cima Sappada

Fakten

  • 2 Wandertage
  • ca. 2.000 Höhenmeter Aufstieg
  • ca. 2.000 Höhenmeter Abstieg
  • ca. 26 Kilometer
  • zu viele umgefallene Bäume
  • Trail magic

Tag 23

von Ole

Dieser Tag war fast ein Wellness Tag. Hervorragend geschlafen, spätes Frühstück, leichtes Bein- und Kreislauftraining, zweites Frühstück mit genialer Aussicht, kurze Oberschenkelgymnastik, koordinatives Balancieren, Mittags Nudeln (extra zum italienischen Rifugio gegangen – clever), Cafe macchiato mit Schokoladenkuchen, Sprachkurs italienisch und englisch, Regentropfen auf dem Hüttendach beim Schreiben und Lesen.

Doch der Reihe nach. Der Wecker klingelte „erst“ um 7:00 Uhr. Wir kuschelten noch einen Moment, bevor wir – noch nicht in der Wanderkleidung – frühstückten, mit frisch gebackenem Brot, Müsli, Ei, Tee und einem Espresso zu den süßen Sachen. Dann machten wir uns in Ruhe fertig, unterhielten uns beim Zahlen noch lange mit unserer Gastgeberin über die nächsten Etappen und unsere nächste Unterkunft, so dass wir erst nach 9:00 Uhr loskamen.

Dafür machten wir dann richtig Dampf. Wir hatten knappe 1.000 Höhenmeter Aufstieg vor uns. In einem Tal, das bei der Ankunft am Vorabend schön, aber auch sehr einschüchternd auf uns gewirkt hatte. Wir entschieden uns, erst einmal der gleichmäßigen Steigung der Forststraße zu folgen, statt dem steileren Wanderweg. Es war ein angenehmes Gehen, nur das Himbeeren Pflücken hielt zu sehr auf. Immerhin gab es eine Trinkpause.

Ab der oberen Valentinalm ging es auf dem steileren Wanderweg weiter, toll sahen wir das U-förmige, vermutlich von einem Gletscher ausgeschliffene Tal unter uns. Über uns ragten schroffe Felswände auf. Unter anderem gingen wir unterhalb der Hohen Warte entlang, dem höchsten Berg des karnischen Alpen. Eine weitere Trinkpause mit Murmeltierbeobachtung folgte. Knappe 200 Höhenmeter unter dem Sattel knurrte uns beiden so der Magen, dass eine paar Rosinen und Nüsse ebenfalls dran glauben mussten. Vermutlich beginnt jetzt die Zeit, in der „satt“ die Ausnahme ist. Dann kämpften wir uns die letzten Meter zum Sattel hinauf. Komisch, ging schon mal leichter.

Wow, was für ein Blick zurück und nach vorne. Vor uns lag der Wolayer See umringt von einem schroffen Felsgürtel. Ein genialer Pausenplatz für ein zweites Frühstück. Der einjährige Gailtaler Käse schmeckte mit Brötchen noch einmal besser. Schön, wenn das Gewicht des Futterbeutels so schnell abnimmt.

Wir beobachteten noch zwei Kletterer, die sich im einiger Entfernung für eine Tour auf die Hohe Warte bereit machten. Aus unserer Sicht aufgrund der Wettervorhersage zu spät, da es ab dem frühen Nachmittag regnen sollte und die Wolken schon dunkel waren. Aber das war zum Glück nicht unsere Sorge.

Der kurze Abstieg zum See war wirklich kurz. Und da man hier nirgends runterfallen konnte, kamen wir trotz der Steilheit des Geländes sehr zügig voran. Was für einen Unterschied der Kopf doch macht. Wir entschieden uns unten am See dann für den auf der Karte eingezeichneten Weg, erst zur österreichischen Wolayer-See Hütte, dann weiter zum italienischen Rifugio Lambertenghi, statt direkt anders um den See herum zu gehen. Dafür durften wir erst noch ein wenig über die Steine am Seeufer balancieren und fingen uns noch ein paar Regentropfen ein. (Was die Kletterer bei dem einsetzenden Regen wohl machten?)

Im Rifugio eine Lautstärke wie in einer italienischen Bar. Total freundliche Begrüßung, wir bekamen ein Vierbettzimmer, in dem wir vermutlich alleine bleiben, „wenn nicht noch 80 Leute kommen“. Wir nutzten die Möglichkeit einer warmen Dusche und genossen dann Nudeln Bolognese und einen Schokoladenkuchen als Nachtisch, stilvoll mit einem Espresso Macchiato gekrönt. Danach unterhielten wir uns lange mit den beiden Französinnen, die vor drei Wochen in Triest gestartet waren und ließen einige Erinnerungen Revue passieren.

Auch hier planten wir wieder ein wenig, wie die nächsten Tage aussehen könnten, da die Wettervorhersage eher unbeständiges Wetter angab, die nächste Hütte (Hochweißsteinhaus) an den folgenden zwei Tagen ausgebucht war und wir die darauf folgende ausgesetzte lange Grattour nicht machen wollten. Zum Lesen und Schreiben zogen wir uns in unser Zimmer zurück und hörtem dem Regen auf dem Dach zu.

Zum Abendessen gab es Polenta mit Frico (italienische Variante von Frigga, ohne Speck). Dann telefonierte Andrea heldenhaft über das Hüttentelefon mit dem nächsten Rifugio, das wir als Alternative zum Hochweißsteinhaus ins Auge gefasst hatten. Erst war die Nummer falsch, dann nur die Tochter dran, die keine Ahnung hatte, dann die Mutter, die nicht da war, wo das Reservierungsbuch war. Und alles auf italienisch. Bevor sie 10 Minuten später noch einmal anrufen sollte, klingelte das Telefon und unser Hüttenwirt klärte die zwei Schlafplätze für den nächsten Tag für uns ab. Er schüttelte danach allerdings auch ein wenig irritiert den Kopf über das Gespräch. Mal sehen, was uns am Ende eines hochalpinen Vormittags und eines langen Talhatschers (auf und ab) erwartet.

Tag 24

von Ole

Frühstück gab es im Rifugio Lambertenghi ab 6:30 Uhr. Mit Müsli, Cappuccino (ich mag Italien) und Nutella. Dazu noch je ein kleines Stück Crostata di Fragole, die einzige Nachspeise, die wir am Vortag nicht probiert hatten.

Andrea fand noch den einen Punkt am Hang mit Handynetz. Es reichte für eine SMS an Andreas, der uns dann den Berg-Wetterbericht der nächsten zwei Tage per SMS schickte (danke!). Der hing hier leider nicht so aus, wie wir das von vielen Hütten gewohnt waren. Und die vermutlich in drei Tagen durchziehende Kaltfront beeinflusst hochalpine Wanderungen doch erheblich und damit auch unsere weitere Planung.

Ich ging vor und machte noch ein paar Fotos vom Wolayer-See, bevor wir uns an den Abstieg zur Wolayer Alm machten. Wir gingen in das große Amphitheater aus Fels hinein und fragten uns, wo da wohl nach links irgendwann die Lücke für unseren Aufstieg kommen sollte. Doch vorher beobachteten wir viele Murmeltiere und genossen den leichten Abstieg auf der neuen Schotterstraße.

Nach erster Trinkpause, die Sonne schien wieder, wenn auch bei teilweise bewölktem Himmel, bogen wir von der Straße ab und der Weg zog sich am Hang entlang, erst flach, dann langsam ansteigend. Wir passierten eine Stelle, an der der Weg leicht abgerutscht war ohne Probleme. Plötzlich hatten wir dann die erhoffte Lücke vor uns. Ein steiler Grashang, der sich zwischen den schroffen Felswänden nach oben ausbreitete.

Der Weg verlief in sehr engen Serpentinen, immer zwischen zwei tieferen Rinnen hin und her. Teilweise nur 5 Schritte in die eine Richtung, 5 Schritte in die andere Richtung. Trotz der Steilheit fühlten wir uns wohl. Nur unsere Waden verstanden das mal wieder gar nicht. Andrea machte tolle Blumenfotos, sonst nicht so ihr Metier, aber die Atempausen halfen.

Oben zog sich der Weg dann noch in leichtem Auf und Ab durch eine tolle Berglandschaft, bis wir mit knapp 2.000 Metern den höchsten Punkt erreichten und eine kurze Pause machten. Bis hierhin waren wir gut unterwegs gewesen, jetzt würden wir die Via Alpina bald verlassen, um in Richtung des Rifugios Sorgenti del Piave zu kommen. Dazu würden wir über Bordaglio di Sopra, Giovanni Bosco und Bordaglio di Sotto 1.000 Höhenmeter nach Pierabech absteigen, um von dort wieder 800 Höhenmeter über eine Forststraße zum Rifugio aufzusteigen. Damit würden wir das erwartete und sich am Himmel schon abzeichnende schlechtere Wetter im Tal und im Wald erleben und nicht oben am Berg.

Wir fanden den Abzweiger und stiegen auf gutem Weg erst zu einem tollen Bergsee an der verlassenen Alm Bordaglio di Sopra ab und dann weiter durch einen Wald mit erneut vielen Sturmschäden an der Kirche Giovanni Bosco vorbei mit einem langen Talhatscher nach Pierabech.

Uns taten die Beine und Füße schon weh, wir wollten den letzten Kilometer, die letzten 500 Meter unbedingt noch schaffen, bevor wir wieder eine Pause machten. Doch diese 500 Meter hatten es noch einmal in sich. Erst ging es steil an einem Bach entlang hinab, am Ende sogar mit einer kurzen seilgesicherten Passage, dann mussten wir mittels Behelfsbrücke über einen Fluss und auf der anderen Seite steil wieder nach oben. Alles in der Hoffnung, eine Bar zu finden, im optimalen Fall mit WLAN. Träumen ist erlaubt.

Während ich Andreas Rucksack die steile Böschung hoch trug, ich hatte noch ein paar Körner mehr im Tank, erfuhr sie, dass es keine Bar gab. Die Gebäude, die wir gesehen hatten, waren Unterkünfte für Kinder auf kirchlicher Freizeit. Als wir uns gerade in den Schatten eines Baumes setzen wollten, sprach uns ein Mann an, wir dürften uns auch an die Bänke im Schatten des Hauses setzen. Das machten wir. Es tat gut, aus den Schuhen raus zu kommen. Wir waren viereinhalb Stunden fast durchgängig gelaufen und die Füße glühten.

Wenn wir Wasser benötigten oder eine Toilette, sollten wir nur Bescheid geben. Dankend nahmen wir an. Plötzlich kam er mit einem Teller Nudeln. Ob wir etwas wollten? Das gleichzeitige „SI“ aus unseren beiden Mündern war vielleicht einen Tick zu laut. „The Trail provides.“ Die Kinder, die hier zwei Tage verbrachten, hatten wir vermutlich oben an der Kirche getroffen. Jetzt machten sich ihre vier Betreur ihr Mittagessen und gaben uns davon etwas ab. Es gab Spaghetti mit Schwertfisch. Lecker. Und als Secondo noch eine Scheibe Käse, etwas Kleines als Secondo musste noch sein. Wir erinnerten uns an viele Mahlzeiten in Genua mit unseren Freunden. Dazu ein Schluck Prosecco (das konnte ja heiter werden, Andrea schaute mich auch erst ziemlich entsetzt an, als ich ja sagte, genoss dann aber mit) und am Ende ein Espresso. Wir erzählten als Dankeschön ein wenig von unserer bisherigen Tour. Es waren wieder die Menschen, die den Unterschied machten. Grazie mille!

Nach einer guten Stunde zog es uns weiter, der Himmel wurde immer dunkler und der Weg war noch weit. Den kleinen Pfad, der uns ein paar Höhenmeter erspart hätte, fanden wir leider nicht, also ging es zur Straße zurück. Den Abzweiger von der asphaltierten Straße auf die Forststraße fanden wir dank GPS und Handy gut. Die Forststraße verlief auch so, wie auf der Karte angezeigt. Da schockte uns auch das einsetzende Gewitter nicht. Rein in die Regensachen und weiter ging es.

Ein Warnschild mit Hinweis auf Forstarbeiten ignorierten wir, es gab zu Fuß keine Alternative, um das Rifugio vor Einbruch der Dunkelheit zu erreichen. Es ging bergauf, um uns herum grollte der Donner. Zum Glück waren an den meisten Stellen viele Bäume um uns herum. Dazu waren die Berge hoch und wir unten, genau wie wir es geplant hatten.

Plötzlich eine große Brachfläche. Hier hatte der Sturm den Wald komplett platt gemacht. Wir beschleunigten unsere Schritte, um schnell wieder im Wald zu sein. Offenes Gelände ist bei Gewitter nicht gut. Nach anderthalb Stunden teilte sich der Weg. Passend zur Karte. Gut. Wieder eine große Brachfläche. Der Donner grollte etwas weiter entfernt. Wir gingen weiter.

„Hoffentlich ist die Brücke noch da, über die wir müssen.“ Sie war noch da. Allerdings war danach nichts mehr da. Bis zur Brücke waren die Forstarbeiter mit ihren Aufräumarbeiten gekommen, dahinter war absolutes Chaos. Wie Streichhölzer lagen die Bäume übereinander. Da sollten wir durch? Und wenn wir die vielleicht 150 Meter schafften, bis wir wieder Bäume stehen sahen, wann käme die nächste solche Stelle?

Wir versuchten es kurz, gaben aber schnell auf. Mit Rucksack war es Wahnsinn, solange wir nicht wussten, ob man bis zum Rifugio durch kam. Ohne Rucksack probieren, dann zurückgehen und die Rucksäcke holen, das wäre angesichts der noch ausstehenden vielleicht 4 Kilometer nicht sinnvoll gewesen. Schweren Herzens entschieden wir uns kurz nach 16:00 Uhr zur Umkehr. Doof. Aber nicht zu ändern. Eine richtige Entscheidung. Aber wie zum Rifugio kommen? Wo sonst übernachten?

Wir erreichten die asphaltierte Straße gegen 17:00 Uhr, fragten mehrfach nach einem Taxiservice, aber den gab es erst über 30 Kilometer entfernt. Wir erfuhren, dass ab Cima Sappada ein Bus um 18:00 Uhr Richtung Sorgenti del Piave fahren würden und damit auch zu „unserem“ Rifugio. Aber bis dahin waren es 8 Kilometer. Keine Chance, den Bus zu bekommen, aber vermutlich die beste Chance auf eine andere Unterkunft.

Also erst die Straße runter nach Forni Avoltri, dann die Straße rauf nach Cima Sappada. Bei jedem Auto Daumen raus, vielleicht würde uns ja jemand mitnehmen, dann hätten wir noch eine Chance auf den Bus. Es hielt aber nur ganz am Anfang eine Frau an, die hätte uns leider nur 600 Meter mitnehmen können.

Auf der Schnellstraße Richtung Cima Sappada hatten wir etwas mehr Handynetz. Wir suchten die Telefonnummer des Rifugios im Internet, erfolglos. Dann riefen wir im Rifugio Lambertenghi an und baten sie, für uns abzusagen, wir hätten keine Chance mehr, unser Ziel zu erreichen. Sie hatten vollstes Verständnis und kümmerten sich darum. Eine Sorge weniger.

Jetzt blieb nur noch die Übernachtung. Es fiel uns aber erst ein, als wir schon wieder unterwegs waren, dass wir das Handynetz auch schnell für die Suche nach einem Hotel hätten nutzen können. Andrea machte es dann beim Laufen, fand eine Unterkunft in Cima Sappada und rief an. Als der Mann am Telefon verstand, was uns gerade passiert war, meinte er nur, er könne uns auch schnell mit dem Auto abholen. Wirklich? „The trail provides.“

Wir warteten eine knappe Viertelstunde, dann fuhren wir mit dem Auto die letzten vier Kilometer nach Cima Sappada ins Hotel Sorgenti del Piave. Fast der gleich Name wie das Rifugio – immerhin. Wir duschten schnell und bekamen um 19:00 Uhr sogar noch etwas zu Essen im Restaurant.

Ein langer Tag ging gut zu Ende. Wie es weitergeht, werden wir sehen. Aufgrund des Wetters und der mittlerweile etwas größeren Distanz zur Via Alpina vielleicht mit einem Ruhetag für Planung und Erholung unserer müden Beine und Füße.

Nach einem kurzen Dorfrundgang fielen wir müde ins Bett.

Tag 25 – Ruhetag

Andrea hatte geträumt, es lägen 10 Zentimeter Neuschnee. Ein klares Zeichen für einen Ruhetag. Wir verlängerten das Zimmer um eine Nacht, lasen und schrieben viel, buchten die Unterkünfte für die nächsten Tage bis Sexten. Das ging leider nicht ganz so wie gewünscht, eine Hütte hatte keinen Platz mehr, aber wir waren ja flexibel. Damit vermutlich am Freitag 3-4 Stunden Aufstieg im Regen zu einer Alm, während die Kaltfront durchzieht. Am Samstag ein sehr kurzer Tag mit nur anderthalb Stunden Weg zur Porzehütte – das am Freitag noch dranzuhängen mit Aufstieg auf über 2.000 Meter machte für uns bei der Wettervorhersage keinen Sinn. Danach am Sonntag 7 Stunden zur Obstanzerseehütte und am Montag 6 Stunden bis zur Seilbahn runter nach Sexten. Und dann wieder Ruhetag, endlich ein geplanter. Und wir können dort im Hotel gegen einen kleinen Aufpreis sogar Wäsche waschen.

Ansonsten wiederholten wir den Dorfrundgang, fotografierten die Strohpuppen, die Szenen aus dem Alltag darstellten, kauften Schokolade, Chips und Nüsse und aßen zweimal lecker.

Was ein Pausenplatz

Ankunft am Wolayersee

Frühstück im Rifugio Lambertenghi

Wo ist denn hier das Netz?

Mahnmale eines schrecklichen Krieges

Der Wolayersee mit Hütte auf österreichischer Seite

Irgendwo müssen wir links aus diesem Amphitheater raus…

Durch tollen Lärchenwald

Lücke gefunden, steil aber ok

Hier verließen wir die Via Alpina

Und begannen den langen Abstieg nach Pierabech

Bordaglio di Sopra mit tollem Bergsee

Auf guten Wegen

Schon im Abstieg waren die Sturmschäden sichtbar

Letztes Hindernis vor Pierabech

The trail provides

Grazie mille!

Hier war zumindest die Straße schon frei

Hier ging nichts mehr

Strohpuppen im alten Teil von Cima Sappada

Hinterlasse einen Kommentar